Führung „Friedhöfe als Spiegel der Ortsgeschichte“


Jüdischer Friedhof Ottweiler , KVHS

Der Jüdische und der Paritätische Friedhof in Ottweiler.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz stellt den diesjährigen „Tag des offenen Denkmals“ unter das Motto: „Denkmale als Zeitzeugen der Geschichte“ und führt dazu u.a. aus:

„Das diesjährige Motto ‚Wahr-Zeichen. Zeitzeugen der Geschichte‘ rückt Denkmale bewusst aus mehreren Perspektiven ins Licht. Mit Wahrzeichen meinen wir zunächst oft wiedererkennbare Landmarken oder Sehenswürdigkeiten. Sie stehen für ein bedeutendes historisches Ereignis oder prägen das Stadtbild. Als solche werden sie zum Symbol, zum ‚Zeichen‘ eines Ortes. [...]. ‚Wahr‘ sind Denkmale in der ihnen immanenten Rolle als verlässlich und empirisch fassbare Monumente und Kulturzeugnisse vergangener Zeiten. Sie spiegeln als Teil unserer Erinnerungskultur authentische Geschichten der Vergangenheit in die Gegenwart. [...]. Darüber hinaus können Denkmale auch persönliche Wahrzeichen sein [...]. Jedes Denkmal kann zum ‚Wahr-Zeichen‘ werden.“

Jüdischer Friedhof: Gebrochene Säule                        

Die Widerspiegelung „authentischer Geschichten der Vergangenheit in die Gegenwart“, zugleich „Denkmale pesönlicher Wahrzeichen“, ermöglichen zwei nebeneinander liegende Friedhöfe in Ottweiler: der Jüdische Friedhof und der sog. „Paritätische Friedhof“. Diese „Denkmale in der ihnen immanenten Rolle als verlässlich und empirisch fassbare Monumente und Kulturzeugnisse vergangener Zeiten“ ruft die KVHS Ottweiler in Verbindung mit dem „Stadtgeschichtlichen Museum Ottweiler e. V.“ sowie dem „Heimat- und Kulturverein Ottweiler e. V.“ in Erinnerung.

Mit dem Jüdischen Friedhof verfügt Ottweiler über ein unbequemes Denkmal, denn es erinnert an eine dunkle Seite unserer Stadtgeschichte: Die Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinde Ottweiler nahm ihren Anfang um die Wende 18./19. Jahrhundert und endete am 22.10.1940 mit der Deportation der letzten jüdischen BürgerInnen des Ortes im Zuge der Aktion Bürckel nach Gurs und von dort in die Vernichtungslager des Ostens. Die Stele „Gebrochene Säule“ symbolisiert, dass das kurze Leben der jüdischen Gemeinde Ottweiler ein jähes Ende fand. Nur der Jüdische Friedhof bietet als letzte noch erhaltene Stätte jüdischen Lebens und jüdischer Kultur interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit – wenn auch eingeschränkt auf den Totenkult – der lokalen Geschichte des Judentums zu begegnen und sich mit ihr auseinanderzusetzen.

Abgeschlossen (wie unsere Kirchen auch) ist der Friedhof die einzige Erinnerungsstätte, die das Zusammenleben jüdischer Bürger und Bürgerinnen mit Angehörigen anderer Konfessionen in Ottweiler in unser Bewusstsein zu rufen vermag. Gleichzeitig ruft er uns alle gegen das Vergessen auf.

In den Mittelpunkt der Ausführungen zu dem Jüdischen Friedhof stellt der Referent die Entstehung und Entfaltung der jüdischen Gemeinde Ottweiler, aber auch ihre Vernichtung durch den Nationalsozialismus. Dabei betont er die Bedeutung des jüdischen Friedhofs als historische Quelle: Die Grabmale bieten die Möglichkeit, über die Familiengeschichte das Leben der jüdischen Gemeinde Ottweiler zu rekonstruieren. Erläuterungen zu Grabinschriften und den Symbolen auf den Grabsteinen ergänzen die Ausführungen.

Blick auf den „Paritätischen Friedhof“                                        

Direkt neben dem Jüdischen Friedhof Ottweiler liegt der sog. „Paritätische Friedhof“, angelegt auf Betreiben der KP-Ortsgruppe Ottweiler 1951, um Konfessionslosen eine würdevolle Bestattung zu gewähren. Auf ihm finden sich heute nur noch einige wenige Grabsteine, die Zeugnis davon ablegen, dass Menschen nicht nur aus religiösen Gründen, sondern auch wegen ihrer politischen Überzeugung  ausgegrenzt wurden. Ist es Zufall, dass die Friedhöfe nebeneinanderliegen? Während die erhaltenen Grabmale auf dem Jüdischen Friedhof zumindest ansatzweise die Entwicklung der jüdischen Gemeinde Ottweilers bis zu ihrer Auslöschung durch den NS – die beiden letzten Bestattungen fanden 1935 statt – nachvollziehbar machen, können die wenigen erhaltenen Grabsteine des „Paritätischen Friedhofes“ als Dokumente der Ausgrenzung atheistisch gesinnter Bürger und Bürgerinnen – meist auch Mitglieder der KP-Ortsgruppe Ottweiler – gewertet werden. Und doch gilt zu bedenken: Während die christlichen Konfessionen die Bestattung konfessionslos Verstorbener auf ihren Friedhöfen verweigerten, dokumentiert der Antrag der KP-Fraktion zur Errichtung eines „Paritätischen Friedhofs“ in der Stadtratssitzung am 22. März 1949 eine tolerante Haltung der KP gegenüber Andersgesinnten: Wenigstens im Tod und mit der Beerdigung sollte die Gleichheit der Menschen Beachtung finden. Dies wurde auch umgesetzt, denn auf diesem Friedhof fanden von 1952–1979  sowohl Konfessionslose als auch Angehörige christlicher Kirchen auf eigenen Wunsch ihre Letzte Ruhe.

Während der Jüdische Friedhof unter Denkmalschutz steht, so dass sein Erhalt auf Dauer gesichert ist, steht zu befürchten, dass der „Paritätische Friedhof“ als realer geschichtlicher Ort in absehbarer Zeit verschwunden sein wird – wie jetzt schon im Bewusstsein der Bevölkerung. Über die Geschichte der KP-Ortsgruppe wird endgültig Gras gewachsen sein, wie bereits heute über die Mehrzahl der Gräber.

Die kostenlose Führung bietet die KVHS Neunkirchen an; eine Anmeldung ist nicht erforderlich, aber erwünscht, verbunden mit der Angabe, an welcher Führung man teilnehmen möchte. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Teilnahme an dieser Führung auf eigenes Risiko erfolgt; insofern stellen die Teilnehmer:innen sowohl den Landkreis als Träger der KVHS als auch die Stadt Ottweiler und das Stadtgeschichtliche Museum Ottweiler e. V. sowie den Heimat- und Kulturverein Ottweiler e. V. als Mitveranstalter und den Referenten von etwaigen Schadensersatzansprüchen frei.

Termin: 08.09. 2024 – 10.30 Uhr und 16.00 Uhr

Ort: Jüdischer Friedhof – Paritätischer Friedhof, Ottweiler Maria-Juchacz-Ring

Dauer: ca. 1 ½ Std.