Stressfalle Handy und Tablet – Fachtagung zum Thema „Digistress“ von Kindern und Jugendlichen in der digitalen Welt

120 Teilnehmer bei der saarlandweiten Fachtagung des Gesundheitsamtes zum Thema Bildschimnutzung von Kindern und Jugendlichen

Fast jeder kennt ihn, den schnellen Blick aufs Handy: hier eine Nachricht lesen, da ein Kommentar auf den letzten geposteten Beitrag checken oder die Spiele-App meldet sich – bis zu 9 Stunden am Tag nehmen Bildschirmmedien unsere Aufmerksamkeit in Anspruch. Das bedeutet insbesondere für Kinder ab dem frühesten Alter und Jugendliche eine Menge „Digistress“. Zu diesem Thema organisierte das Gesundheitsamt des Landkreises Neunkirchen nun eine saarlandweite Fachtagung. Die große Resonanz mit 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sprach für sich.

Die schnell voranschreitende Digitalisierung bringt viele Vorteile und Erleichterungen mit sich, das steht außer Frage. Doch die wachsende Verfügbarkeit digitaler Medien und die steigenden Nutzungszeiten prägen auch zunehmend negativ den Familienalltag und beeinflussen die Entwicklung von Kleinkindern. Landrat Sören Meng, selber Familienvater und schon von Amtswegen tagtäglich auf vielen Kanälen erreichbar, schnitt bereits bei seiner Begrüßung im Interview mit Christian Langer vom Sozialpsychiatrischen Dienst Landkreis Neunkirchen, der durch die Fachtagung führte, erste Themen der Fachtagung an. So sind neben den Eltern auch Krippen, Kitas und Schulen in die Thematik einzubeziehen, denn die Auswirkungen der digitalen Welt lassen sich mittlerweile bei allen Altersgruppen feststellen.

Nicht nur die direkte Beschäftigung von Kindern im Alter von 0 bis 3 Jahren mit Smartphones und Tablets, sondern auch die Nutzung dieser Geräte im Beisein der Kinder hat nachweislich negative Auswirkungen auf deren körperliche, motorische, sprachliche, sozio-emotionale und kognitive Entwicklung. Immer mehr Studien beschäftigen sich daher mit den Auswirkungen der elterlichen Nutzung digitaler Geräte in Anwesenheit von Babies und Kleinkindern. Die Ergebnisse sind alarmierend: Die „abwesende Präsenz“ der Eltern führt bei Säuglingen und Kleinkindern zu erhöhtem Stress und kann sich negativ auf ihre Bindungsentwicklung, Regulationsfähigkeit, Aufnahmefähigkeit und Lernbereitschaft auswirken, wie Dr. Lieselotte Simon-Stolz vom Arbeitskreis Kindergesundheit im Landkreis Neunkirchen berichtete.

Claudia Uhler vom Sozialdienst katholischer Frauen Freiburg e.V. belegte die Ausführungen mit Praxisbeispielen aus den frühen Hilfen und erläuterte, wie es gelingen kann, Eltern zu sensibilisieren und gut zu beraten.

Besonders problematisch wird es bei Kindern und Jugendlichen, die die neuen Technologien exzessiv nutzen. Negative Auswirkungen einer übermäßigen Computer- und Internetnutzung beispielweise auf die motorische oder sprachliche Entwicklung, körperliche Probleme und letztendlich die Entwicklung einer Abhängigkeit sind dann keine Seltenheit, berichtete Dr. phil. Frank Paulus, leitender Psychologe der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Universitätsklinikum Saarland bei seinem Vortrag.

Teilweise schockierend war der Vortrag von Marco Flatau von der AWO Beratungsstelle Phoenix. „Cybergrooming“ lautete sein Thema, also das gezielte Ansprechen von Kindern und Jugendlichen im Internet mit dem Ziel, sie zu sexuellen Handlungen in digitalen oder sogar zu einem realen Treffen zu verleiten. Cybergrooming ist eine Form des sexuellen Missbrauchs. Durch das Vortäuschen einer falschen Identität, durch Komplimente oder auch Erpressen werden die Kinder und Jugendlichen manipuliert. Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden im Jahr 2022 48.821 Fälle von Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendpornografie im Internet registriert. Diese Zahl hat sich im Vergleich zum Jahr 2020 (21.868 Fälle) sogar verdoppelt. Nicht nur soziale Netzwerke wie Snapchat, Instagram und TikTok sind bei den Tätern beliebt, immer häufiger treten sie auch in Online-Spielen wie Fortnite, Minecraft oder Fifa mit den Opfern in Kontakt, und das ist je nach Spiel oder App ohne Probleme möglich.

Ziel der Fachtagung war es, über die Beratungs- und Behandlungsmöglichkeiten entlang der Altersspannen der Kinder und Jugendlichen mit ausgewählten Beiträgen zu informieren und aufzuklären. Besonders interessant war dabei der Vortrag von Hannah Rosenau, Selina Rouba und Tyler Stopp vom Jugendforum Landkreis Neunkirchen. Sie sprachen über ihre persönlichen Erfahrungen als Jugendliche und wie sie die Auswirkungen von Social Media, Extremismus im Netz und Fake News erleben. Dabei warfen sie einen ehrlichen Blick auf ihren eigenen Handy- und Medienkonsum, auch im Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung der Schulen.

 

>> Initiator der Fachveranstaltung ist der im September 2017 gegründete multiprofessionelle, institutionsübergreifende AK Kindergesundheit des Gesundheitsamtes im Landkreis Neunkirchen unter der Leitung von Dr. med. Lieselotte Simon-Stolz und Jutta Schäfer. Mit der Fachveranstaltung sollen die Arbeitsziele des Arbeitskreises, nämlich die Förderung und Aufrechterhaltung des gesunden Aufwachsens von Kindern in ihrem Lebensumfeld, weiter verfolgt werden. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Verhinderung bzw. Risikominderung von Übergewicht, Bewegungsmangel und übermäßigem Medienkonsum.

 

Kontakt:
AK Kindergesundheit Neunkirchen
Jutta Schäfer

06824/906-8842