Baumeister Friedrich Joachim Stengel

Baumeister Friedrich Joachim Stengel wurde am 29. September 1694 in Zerbst/Anhalt geboren.

Mit 14 Jahren musste der Sohn eines geheimen fürstlichen Sekretärs sein Elternhaus in Zerbst verlassen, um weiter in der Obhut eines Bruders seiner Mutter in Berlin aufzuwachsen. Sein Vater war bereits 1699 verstorben. Er nahm sogleich ein Studium an der "Academie der bildenden Künste" als Ingenieur- Offizer auf, d.h., er wurde in Zeichenkunde, Geometrie, Zivilbaukunde, Festungsbau und Geschützkunde ausgebildet. 1712 reiste er nach Oberitalien, um die italienische Architektur kennenzulernen.

1719 erhielt Stengel den Auftrag, im Herzogtum Sachsen-Eisenach eine "General-Landesrenovatur" durchzuführen. Bei dieser Gelegenheit kam er in Kontakt mit Beamten des Fuldaer Fürstabtes Adolph von Dalberg, was schließlich 1722 zu einer Anstellung in Fulda führte. Nachdem er dort zunächst als Feldmesser, Pyrotechniker sowie als Lehrer der fürstlichen Pagen und als Festarrangeur tätig war, wurde er 1727 zum Bauinspektor berufen. Während dieser Zeit arbeitete er an der Vollendung des vom italienischen Baumeister Andrea Gallasini begonnenen Fuldaer Stadtschlosses mit.

Stengel war weiterhin auch als Landmesser tätig und wurde 1728 an Kurmainz zu Vermessungsarbeiten im Amt Amöneburg ausgeliehen. Nebenher beschäftigte sich Stengel auch auf anderen Gebieten. So entwickelte er 1729 ein Barometer, erlitt dabei aber eine langwierige Quecksilbervergiftung.

In der Hoffnung, den Posten des Oberbaumeisters im Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg zu erhalten, ging Stengel 1730 nach Gotha, erhielt dort aber nur eine Anstellung als Geometer und Ingenieur für Befestigungsanlagen. Daher nahm er drei Jahre später das Angebot des Fürsten von Nassau-Usingen, dort als Hofarchitekt tätig zu werden, an.

Zu seinen ersten Arbeiten gehörte der Umbau des Usinger Schlosses, danach stellte er die Innengestaltung des Schlosses Biebrich fertig. In eigener Verantwortung ergänzte er das Schloss 1740 um den Marschalltrakt und den Winterbau. Zudem entwickelte er die Pläne für das Jagdschloss Fasanerie, das 1749 fertiggestellt wurde.

Nach der Teilung Nassaus im Jahre 1735 war Stengel hauptsächlich für den Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken tätig. Dieser ermöglichte ihm 1739 eine Studienreise nach Paris und Versailles, wo er die Werke der modernen französischen Architekten kennenlernte. Die dort gewonnenen Eindrücke wirkten sich stilprägend auf sein weiteres Schaffen aus und ließen seine künstlerischen Fähigkeiten zur vollen Entfaltung kommen.

Schon 1738 hatte Stengel mit dem Wiederaufbau des Saarbrücker Stadtschlosses begonnen, dem eine erfolgreiche Schaffensphase mit dem Höhepunkt der Errichtung der Ludwigskirche 1775 folgte.

1750 erreichte ihn ein Ruf aus seiner Heimat in Gestalt der Bitte der Fürstin Johanna Elisabeth von Anhalt-Zerbst, ihren abgebrannten Witwensitz Schloss Dornburg in Dornburg (Anhalt) wiederaufzubauen. Der Wiederaufbau, den er von Saarbrücken aus beaufsichtigte, erfolgte nach Stengels Plänen. Vermutlich lieferte er auch die Pläne für die Dornburger Kirche, die 1758 fertiggestellt wurde. Zwischen 1751 und 1752 hielt sich Stengel in Gotha auf, um dort den Umbau des Schlosses zu leiten.

1761 wurde Stengel zum Generalbaudirektor und Wirklichen Kammerrat von Nassau-Saarbrücken berufen, daneben war er auch noch Forstkammerpräsident und Direktor des Saarbrücker Waisen-, Armen- und Zuchthauses. 1763 begann er mit dem Verfassen seiner Biografie und wurde 1775 pensioniert.

Stengel war dreimal verheiratet und hatte drei Töchter und zwei Söhne. Beide Söhne stiegen in die Fußstapfen des Vaters, Johann Friedrich war ab 1775 am Hofe der russischen Zarin Katharina II. tätig und Balthasar Wilhelm war ab 1785 Oberbaudirektor in Saarbrücken.

Als Stengel am 10. Januar 1787 in Saarbrücken im hohen Alter von 92 Jahren starb, gewährte Fürst Ludwig von Nassau-Saarbrücken seiner Witwe, „weil uns von dem nun verstorbenen Cammer Rath lang jährige treue Dienste geleistet worden“, eine jährliche Pension in Höhe von 160 Gulden.

 

Stengels wichtigste Bauwerke in der Region:

 Während seiner wichtigsten Wirkungsphase in Saarbrücken schuf Stengel den Neubau des Schlosses Saarbrücken (1738), die Friedenskirche (1743), das neue Rathaus und das Erbprinzenpalais (1748), die Kirche St. Johann (1754) sowie die Ludwigskirche (1775). Daneben baute er im heutigen Saarland zahlreiche kleine Kirchen, Lustschlösser, Forst- und Pfarrhäuser. Dazu zählen die beiden heute noch erhaltenen Kirchen in Wellesweiler und Dirmingen.

Im Saarland sind dies vor allem das Saarbrücker Schloss und die Ludwigskirche. In Ottweiler prägte Stengel mit dem Pavillon und dem sog. Witwenpalais das Stadtbild entscheidend mit. Auch in Neunkirchen war Stengel tätig und erbaute das Lustschloss Jägersburg (1753 bis in die 60er Jahre des 18. Jahrhunderts). Es wurde 1793 durch französische Revolutionstruppen in Brand gesteckt und in den Folgejahren vollkommen abgetragen.

 

Das Witwenpalais

Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken (1718 – 1768) ließ das in Ottweiler als Witwenpalais bekannte barocke Stadtpalais nach Plänen des Generalbaudirektors Friedrich Joachim Stengel (1694 – 1787) vermutlich in den Jahren ab 1756 errichten, das der fürstlichen Familie als standesgemäßes Quartier in der Oberamtsstadt zur Verfügung stand.

Im Jahre 1889 kam das Anwesen in den Besitz des Kreises Ottweiler und beherbergt bis heute das Landratsamt des jetzigen Landkreises Neunkirchen.

Ins 19. Jahrhundert fallen auch die ersten tiefgreifenden Umbauarbeiten. Im ersten Obergeschoss wurde ein großer Saal eingebaut. Dazu wurden das niedrige Halbgeschoss, das Mezzanin, sowie die Trennwand von zwei Räumen der Beletage im Hauptgeschoss entfernt. So entstand der heutige historische Sitzungssaal des Landratsamtes, der für Kreistagssitzungen, Konzerte und zahlreiche kulturelle Veranstaltungen des Landkreises Neunkirchen genutzt wird.

In unmittelbarer Nähe zum Witwenpalais befand sich die 1763 von Fürst Wilhelm Heinrich gegründete Ottweiler Porzellanmanufaktur. Im heutigen Porzellanzimmer des Witwenpalais sind noch einige Exponate ausgestellt.

 

Der Pavillon mit Barock-Rosengarten

An der Stelle des barocken Garten- und Lustschlösschens stand ursprünglich ein anderes kleines Gebäude. Nach dem Abbruch des Renaissanceschlosses im Jahre 1753 ließ Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken (1718 – 1768) das in Ottweiler als „Pavillon“ bekannte barocke Schlösschen im Herrengarten nach Plänen des Generalbaudirektors Friedrich Joachim Stengel (1694 – 1787) errichten. Während seiner Aufenthalte nutzte er es als „maison de plaisance“ (Lusthaus), das einem ungezwungeneren, weniger vom höfischen Zeremoniell geprägten Aufenthalt diente, vor allem zur Jagdzeit.

Das Gebäude wurde von den Bächen Blies und Weth umflossen. Die so entstandene künstliche Insel konnte über eine Zugbrücke in Verlängerung der heutigen „Herrengartenstraße“ betreten werden. Zwei barocke Statuen, „türkische Mohren mit gezogenen Säbeln“, waren hier „als Wache“ aufgestellt.

Nach häufigem Besitzerwechsel fand das Gebäude 1987 Verwendung als Verwaltungssitz des evangelischen Kirchenkreises Ottweiler, nachdem es zuvor renoviert worden war. Der heutige Kirchenkreis Saar-Ost ließ im Jahr 2011 das Mansardendach und die Außenfassade sanieren.

So präsentiert sich das historische Palais heute wieder in fast ursprünglicher Form und erinnert im Innern mit seinen Resten der Lambris, Türen und Türverkleidungen aus der Zeit seiner Erbauung, einem Marmorkamin und der renovierten Treppe an längst vergangene Zeiten.

Entlang der Blies befindet sich vor dem Pavillon der Barock-Rosengarten, ein Geschenk des Landkreises Neunkirchen an die Stadt Ottweiler anlässlich der 450-Jahrfeier zur Verleihung der Stadtrechte im Jahre 2000.

 

Die Ludwigskirche

Die Ludwigskirche sowie der sie umgebende Ludwigsplatz wurden von Friedrich Joachim Stengel im Auftrag des Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken als „Gesamtkunstwerk“ im Sinne eines barocken „place royale“ entworfen.

Der Bau begann im Jahr 1762. Nach dem Tod Wilhelm Heinrichs im Jahr 1768 wurden die Arbeiten wegen Geldmangels vorübergehend eingestellt. Erst 1775 wurde die Kirche unter seinem Sohn Fürst Ludwig fertiggestellt, nachdem sie auch benannt wurde (und nicht nach Ludwig dem Heiligen, worauf fehlerhafte, jedoch gebräuchliche Übersetzungen wie Église St. Louis oder St. Louis Church hindeuten).

Die Einweihung fand am 25. August 1775 mit einem feierlichen Gottesdienst und einer eigens zu diesem Anlass komponierten Kantate statt.

In den Jahren 1885 – 1887 und 1906 – 1911 wurden Restaurierungsarbeiten durchgeführt. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Ludwigskirche praktisch komplett zerstört: Nach dem Bombenangriff vom 5. Oktober 1944 standen nur noch Reste der Umfassungsmauern.

Der Wiederaufbau begann 1949, ist aber bis heute noch nicht abgeschlossen. Ein wesentlicher Faktor für diese lange Verzögerung war der von den 1950ern bis in die 1970er Jahre mit großer Heftigkeit ausgetragene Streit, ob beim Wiederaufbau auch der vollständig verlorene barocke Innenraum rekonstruiert werden sollte. Zunächst hatte man sich auf eine Wiederherstellung der Außenhülle mit einer modernen Innenraumkonzeption verständigt, diesen Plan aber schließlich wieder aufgegeben.

Die Innenrestaurierung wurde 2009 mit der Wiederherstellung des Fürstenstuhls (die fürstliche Loge, die sich auf der der Orgel gegenüberliegenden Empore befand) begonnen und ist bis auf ein paar Details abgeschlossen. Es fehlen außen nur noch einige Skulpturen der Attika und der „Stengelsche Außenanstrich“ und die Ludwigskirche erstrahlt in ihrem ursprünglichen Glanz.