Die Werke des Barockbaumeisters Friedrich-Joachim Stengel





Witwenpalais

Witwenpalais in Ottweiler

Das sogenannte Witwenpalais in Ottweiler besitzt innerhalb des Werkes von Friedrich Joachim Stengel eine besondere Stellung. Es ist das einzige fürstliche Stadtpalais und spielt deshalb unter den Profanbauten dieses Baumeisters nach den Residenzschlössern von Saarbrücken und Dornburg, dem Winterbau am Schloss von Biebrich und dem Lustschloss von Neunkirchen eine wichtige Rolle. Obwohl das Witwenpalais vergleichsweise klein ist, veranschaulicht es seinen Rang durch seine besondere architektonische Gliederung. Doch dazu später mehr. Widmen wir uns zuerst dem geschichtlichen Kontext.

Der Ursprung Ottweilers liegt in der Gründung des Klosters im heutigen Ortsteil Neumünster um 871. Erste schriftliche Nachweise des Ortsnamens Ottweiler stammen aus dem Jahr 1393. Seine Blütezeit erlebte Ottweiler ab dem 13. Jahrhundert unter der Herrschaft der Grafen von Nassau-Saarbrücken. Höhepunkt dieser Entwicklung war die Verleihung der Stadtrechte durch Kaiser Karl V. an den Grafen Johann von Nassau-Saarbrücken im Jahre 1550. Die Stadt Ottweiler war zudem im Laufe ihrer Geschichte mehrfach vorübergehend Residenz. 1544 nahm eine Nebenlinie des Hauses Nassau-Saarbrücken hier ihren Sitz. So wurde z. B. unter dem Grafen Albrecht im 17. Jahrhundert ein großes Renaissance-Schloss erbaut.
Im 18. Jahrhundert gehörte Ottweiler wieder zu Nassau-Saarbrücken, und der in Saarbrücken residierende Wilhelm-Heinrich musste das bestehende Schloss wegen Baufälligkeit abbrechen. Da Ottweiler aber weiterhin ein beliebter Aufenthaltsort des Fürsten blieb, musste ein neuer, angemessener fürstlicher Wohnsitz geschaffen werden. Darüber hinaus plante Wilhelm-Heinrich in Ottweiler eine Porzellanmanufaktur einzurichten, die 1763 ihren Betrieb aufnahm. Ottweiler erhielt zwar nicht die Funktion einer Residenz, dennoch musste aber für den Fürsten, wenn er seine Porzellanmanufaktur besuchte, ein geeignetes Quartier zur Verfügung stehen.
So beauftragte Wilhelm-Heinrich seinen Baumeister Stengel, in Ottweiler ein fürstliches Stadthaus zu errichten. Friedrich Joachim Stengel arbeitete seit 1736 teilweise, offiziell dann seit 1740 für Fürst Wilhelm-Heinrich von Nassau-Saarbrücken.
Stengel wurde 1694 in Zerbst in Anhalt geboren. Nach einer akademischen Ausbildung in Berlin und kurzem Dienst als Militäringenieur war er als Landvermesser in Gotha, später in Fulda tätig. 1729 wurde Stengel in Fulda Bauinspektor zur Beaufsichtigung der Ausführung von laufenden Bauprojekten. Nach erneuter Tätigkeit als Geometer erhielt er 1733 eine Anstellung im nassauischen Bauwesen. Da kurz zuvor die einzelnen dynastischen Linien ausgestorben waren, war der gesamte nassauische Besitz vereinigt worden.
Unter der Regentschaft der Fürstin Charlotte Amalie teilte man ihn unter den noch nicht volljährigen Brüdern Karl und Wilhelm-Heinrich auf. Die rechtsrheinischen Gebiete erhielt der etwas ältere und gerade als volljährig erklärte Karl, die linksrheinischen der jüngere Wilhelm-Heinrich. Stengel wurde der Baumeister von Karl und arbeitete für diesen an kleineren Um- bzw. Erweiterungsbauten in Usingen und Biebrich in Hessen.
Da Wilhelm-Heinrich in Saarbrücken seine Residenz nahm, das dortige Renaissanceschloss aber baufällig war, sollte in Saarbrücken ein neuer barocker Schlossbau errichtet werden. Hierzu erbat Wilhelm-Heinrich, der keinen eigenen Baumeister besaß, von seinem Bruder dessen Architekten leihweise. So bekam Friedrich Joachim Stengel ersten Kontakt nach Saarbrücken, wechselte gar ab 1740 ganz in die Dienste Wilhelm-Heinrichs.
Mehrere bedeutende sakrale und profane Bauwerke konnte Stengel für den Saarbrücker Fürsten errichten. Der Bau in Ottweiler nimmt dabei eine Ausnahmestellung ein. Um die Mitte der 1750er Jahre muss er mit der Planung für das Stadtpalais in Ottweiler begonnen haben.
Der später von Karl Lohmeyer eingeführte Begriff „Witwenpalais“ ist irreführend und falsch. Lohmeyer entnahm der Häuser- und Familienchronik von Hansen, dass zeitweilig nach dem Tode von Wilhelm-Heinrich seine Witwe Sophia Charlotte Erdmuthe hier wohnte. Daraus folgerte Lohmeyer, dass der Bau als Witwensitz erbaut worden sei. Jedoch hielt sich die Witwe nur kurz in Ottweiler auf, ihr eigentlicher Witwensitz war das Schloss in Lorenzen im Krummen Elsass.
Den Bau in Ottweiler errichtete Wilhelm-Heinrich für sich selbst als städtisches Wohnhaus für seine Besuche in der Stadt. Das Baudatum wurde wegen eines Geländeankaufs durch den Fürsten im Jahre 1759 bisher stets auf 1759 – 1760 angesetzt. Bei dem Grundstück, das 1759 angekauft wurde, handelt es sich aber lediglich um ein rückwärtiges Gartengrundstück.
Die jüngsten Untersuchungen haben gezeigt, dass der Baubeginn sicherlich früher anzusetzen ist. Holzproben, die bei der Bauuntersuchung des Staatlichen Konservatoramtes vom Verfasser entnommen wurden, konnten im Rheinischen Landesmuseum Trier dendrochronologisch bestimmt werden. Die Proben stammen aus dem Dachstuhl. Es handelt sich um Eichenhölzer, die an dieser Stelle primär verwendet wurden. Sie sind also für dieses Gebäude gefällt und frisch verarbeitet worden.
Das Fällungsdatum ließ sich mit Frühjahr 1757 sehr exakt bestimmen. Da mit der Vorbereitung des Holzes für den Dachstuhl zumindest die Planung des Bauwerks vorgelegen haben muss, ist der Planungsbeginn vor dem Frühjahr 1757 anzusetzen. Wahrscheinlich ist, dass zum Zeitpunkt der Dachstuhlvorbereitung bereits der Rohbau im Gange war. Dies würde den damaligen Gepflogenheiten entsprechen. Damit könnte man einen Baubeginn auch spätestens mit Frühjahr 1757 annehmen. Nach Aufsetzen des Daches 1757 dürfte der Innenausbau fortgeführt worden sein, der möglicherweise 1758 abgeschlossen war.
Im späteren 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wechselte das Anwesen öfter den Besitzer. Verschiedene kleinere Veränderungen in dieser Zeit sind zu vermuten.
Tiefgreifende Umbauten erfuhr der Bau 1889. Kurz zuvor war er in den Besitz der Kreisverwaltung gekommen, die sich entschloss, hier ihr Kreishaus einzurichten. Dazu wurde 1889 ein großer Saal im ersten Obergeschoss eingebaut. Dabei dürften auch weitere größere Um- und Ausbauten vorgenommen worden sein. Bei genauer Untersuchung des Mauerwerks und der sichtbaren Gesimssteine lässt sich zweifelsfrei erkennen, dass der rückwärtige Vorsprung kein originaler Bauteil ist. Es ist eine eindeutige Baufuge zu erkennen, und die Steinbearbeitung differiert von der an den originalen Steinen.
Bei der Klärung dieses Sachverhalts konnte auch wiederum die Untersuchung des Dachstuhls weiterhelfen. Der Anbau besitzt ein eigenes abgewalmtes Dach. Das Gebälk des Hauptdaches, das aus Eichenholz besteht, ist an dieser Stelle zertrennt worden, und die Erweiterung dieses Teils des Daches ist in Tannenholz eingefügt worden.
Eine dendrochronologische Bestimmung des Tannenholzes fiel nicht ganz eindeutig aus, da keine Waldkante (Kambiumzone) gefunden wurde. Dennoch lässt sich die Herstellung dieses Dachstuhls des Anbaus relativ genau nachvollziehen. Ein Fällungsdatum des Holzes „kurz nach 1887“ passt exakt zu den Daten des belegten Umbaus von 1889. Damit darf sicher davon ausgegangen werden, dass der rückwärtige Anbau erst in diesem Jahr errichtet wurde.
Ein weiteres Problem, das bisher zu verschiedenen Spekulationen geführt hatte, ist die Unklarheit über die ursprüngliche Lage des Eingangs. Heute besitzt der Bau kein eigenes Portal mehr, der Zugang erfolgt über die jüngeren Nebengebäude.
Alle Öffnungen des Erdgeschosses sind Fenster in gleicher Gestaltung mit profilierter Rahmung und reich verzierten Schlusssteinen. Die äußerste linke Fensterachse weicht von den übrigen etwas ab, da dieses Fenster etwas breiter ist. Da hier im Laufe der Geschichte des Bauwerks auch einmal vorübergehend der Eingang lag, hat dieser Umstand zu der Spekulation geführt, dass in dieser Achse auch das originale Portal gelegen habe und durch die sich dadurch ergebende Asymmetrie des Baues zu folgern wäre, dass das Witwenpalais nur Teil bzw. Nebenflügel einer geplanten größeren Schlossanlage gewesen war.
Diese Hypothese ist jedoch eindeutig abzulehnen. Eine genaue Untersuchung des Baus bringt erneut etwas Aufklärung. Zum einen ist feststellbar, dass das Fenster in der linken Achse erst nachträglich verbreitert wurde, da dort schmale Einschübe in die profilierte Sandsteinrahmung eingepasst wurden. Dies scheint eine Veränderung des 19. Jahrhunderts zu sein. Als der Zugang zu diesem Zeitpunkt hierher verlegt wurde, verbreiterte man das ursprüngliche Fenster, um einen bequemeren, breiteren Eingang zu erhalten.
Auch die Befunde im Keller sprechen eindeutig für ein ursprüngliches Portal in der Mittelachse. Der Bau besitzt einen durchgehenden Kellerraum zur Straße. Er ist mit einem quergestellten Tonnengewölbe bedeckt. Die Tonne besitzt originale Stichkappen, über die die Kellerfenster einschneiden. Nur in der Mittelachse ist das Tonnengewölbe geschlossen. Dies ist ein eindeutiges Indiz, dass an keiner anderen Stelle als hier das ursprüngliche Portal gelegen haben kann. Zudem ist im Erdgeschoss hier ein schmaler einachsiger Raum gelegen, der mit den heute noch vorhandenen Pilastern als Korridor zu dem ursprünglich dahinterliegenden originalen Treppenhaus diente.

Die Fassade des Witwenpalais in Ottweiler ist von auffälligem Reichtum. Es handelt sich um eine dreigeschossige fünfachsige Fassade. Das Erdgeschoss ist ungegliedert, lediglich vertiefte rechteckige Wandfelder rahmen hier die Fenster. Damit ist das Erdgeschoss als Sockelgeschoss ausgewiesen.
Darüber erhebt sich das Hauptgeschoss, die Beletage, gefolgt von einem niedrigen Halbgeschoss, dem Mezzanin.
Die beiden oberen Stockwerke sind durch eine ionische kolossale Pilastergliederung verklammert. Ein strenges kanonisches Gebälk bildet den oberen horizontalen Abschluss. Flammenvasen bekrönen als Attikaschmuck den Bau. Alle Fenster besitzen profilierte Rahmungen und reich strukturierte Schlusssteine und schließen stichbogig ab.
Die kolossale Pilastergliederung zeichnet den Bau aus. Allein dadurch kann die Hypothese von einem großen Schlosskomplex widerlegt werden. Stengel hat niemals einen Nebenflügel mit einer Pilastergliederung gestaltet. Selbst an seinen großen Schlossbauten in Saarbrücken und Dornburg, die fürstliche Residenzen waren, wurde allein der Mittelbau, das Corps de Logis, mit Pilastern gegliedert. Die Nebenflügel besitzen stets nur Ecklisenen. Die besondere Gestaltung des Baus in Ottweiler verfolgte den Zweck, kenntlich zu machen, dass dies ein fürstliches Stadtpalais ist.
Die Vorbilder für den Bau in Ottweiler sind eindeutig zu bestimmen. Französische Stadtpalais, wie sie in Nancy entstanden waren oder bei Boffrand im „Livre d’Architecture“ abgebildet sind, zeigen die Gestaltung vorgebildet. Die Gliederung mit Sockelgeschoss und Kolossalordnung, die Haupt- und Mezzaningeschoss verklammert, dürfte Stengel direkt aus den französischen Vorbildern entnommen haben.
Letztlich gehen diese klassizisierenden architektonischen Gestaltungsideen aber auf Werke der italienischen Hochrenaissance zurück. Stadtpalazzi von Andrea Palladio sind die wohl bekanntesten Bauten, die solche Gestaltungen erstmals zeigen.
Das Witwenpalais in Ottweiler ist das einzige fürstliche Stadtpalais, das Friedrich Joachim Stengel erbaut hat. Mit seiner sehr strengen klassizisierenden Gliederung gehört es zu den Werken Stengels, die sich am stärksten an französische Vorbilder anlehnen.

 

Bilder des Witwenpalais




Pavillon

Pavillon in Ottweiler

An der Stelle des barocken Garten- und Lustschlösschens stand ursprünglich ein anderes kleines Gebäude. Nach dem Abbruch des Renaissanceschlosses im Jahre 1753 ließ Fürst Wilhelm-Heinrich von Nassau-Saarbrücken (1718 – 1768) das in Ottweiler als „Pavillon“ bekannte barocke Schlösschen im Herrengarten nach Plänen des Generalbaudirektors Friedrich Joachim Stengel (1694 – 1787) errichten. Während seiner Aufenthalte nutze er es als „maison de plaisance“ (Lusthaus), das einem ungezwungeneren, weniger vom höfischen Zeremoniell geprägten Aufenthalt diente, vor allem zur Jagdzeit.

Das Gebäude wurde von den Bächen Blies und Weth umflossen. Die so entstandene künstliche Insel konnte über eine Zugbrücke in Verlängerung der heutigen „Herrengartenstraße“ betreten werden. Zwei barocke Statuen, „türkische Mohren mit gezogenen Säbeln“, waren hier „als Wache“ aufgestellt.
Nach häufigem Besitzerwechsel fand das Gebäude 1987 Verwendung als Verwaltungssitz des evangelischen Kirchenkreises Ottweiler, nachdem es zuvor renoviert worden war. Der heutige Kirchenkreis Saar-Ost ließ im Jahr 2011 das Mansardendach und die Außenfassade sanieren.
So präsentiert sich das historische Palais heute wieder in fast ursprünglicher Form und erinnert im Innern mit seinen Resten der Lambris, Türen und Türverkleidungen aus der Zeit seiner Erbauung, einem Marmorkamin und der renovierten Treppe an längst vergangene Zeiten.
Entlang der Blies befindet sich vor dem Pavillon der Barock-Rosengarten, ein Geschenk des Landkreises Neunkirchen an die Stadt Ottweiler anlässlich der 450-Jahrfeier zur Verleihung der Stadtrechte im Jahre 2000.

 

Bilder des Pavillon




Ludwigskirche

Ludwigskirche in Saarbrücken

Die Ludwigskirche sowie der sie umgebende Ludwigsplatz wurden von Friedrich Joachim Stengel im Auftrag des Fürsten Wilhelm-Heinrich von Nassau-Saarbrücken als „Gesamtkunstwerk“ im Sinne eines barocken „place royale“ entworfen.

Der Bau begann im Jahr 1762. Nach dem Tod Wilhelm-Heinrichs im Jahr 1768 wurden die Arbeiten wegen Geldmangels vorübergehend eingestellt. Erst 1775 wurde die Kirche unter seinem Sohn Fürst Ludwig fertiggestellt, nachdem sie auch benannt wurde (und nicht nach Ludwig dem Heiligen, worauf fehlerhafte, jedoch gebräuchliche Übersetzungen wie Église St. Louis oder St. Louis Church hindeuten).
Die Einweihung fand am 25. August 1775 mit einem feierlichen Gottesdienst und einer eigens zu diesem Anlass komponierten Kantate statt.
In den Jahren 1885 – 1887 und 1906 – 1911 wurden Restaurierungsarbeiten durchgeführt. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Ludwigskirche praktisch komplett zerstört: Nach dem Bombenangriff vom 5. Oktober 1944 standen nur noch Reste der Umfassungsmauern.
Der Wiederaufbau begann 1949, ist aber bis heute noch nicht abgeschlossen. Ein wesentlicher Faktor für diese lange Verzögerung war der von den 1950er bis in die 1970er Jahre mit großer Heftigkeit ausgetragene Streit, ob beim Wiederaufbau auch der vollständig verlorene barocke Innenraum rekonstruiert werden sollte. Zunächst hatte man sich auf eine Wiederherstellung der Außenhülle mit einer modernen Innenraumkonzeption verständigt, diesen Plan aber schließlich wieder aufgegeben. Die Innenrestaurierung wurde 2009 mit der Wiederherstellung des Fürstenstuhls (die fürstliche Loge, die sich auf der der Orgel gegenüberliegenden Empore befand) begonnen und ist bis auf ein paar Details abgeschlossen. Es fehlen außen nur noch einige Skulpturen der Attika und der „Stengelsche Außenanstrich“ und die Ludwigskirche erstrahlt in ihrem ursprünglichen Glanz.